Viele glauben, dass Wollwachs ein regionaler, natürlicher Kosmetikrohstoff sei. Doch die Herstellung findet vor allem in Ostasien statt und wird aus australischer, neuseeländischer und chilenischer Schafwolle extrahiert – in einem gross-chemischen Prozess. Die Auswirkungen der intensiven Schafhaltung auf Tiere und Natur sind leider katastrophal. Hier lesen Sie die Gründe, warum Liflore auf vegane Naturkosmetik ohne Wollwachs setzt.
Ein schützender Hauttalg
Lanolin, auch Wollwachs genannt, ist eine Substanz, die durch die Hauttalgdrüsen der Schafe gebildet wird und sich wie ein Schutzfilm um die Wollfaser legt. Dadurch wird das Schaf vor Kälte und Nässe geschützt.
Dieser Talg weist positive Eigenschaften auf, weshalb er unter anderem in Kosmetika Verwendung findet. Lanolin mindert den Flüssigkeitsverlust der Haut und macht gar trockene und rissige Haut weich und geschmeidig. Ausserdem hat das Wollwachs gute emulgierende Eigenschaften und wird deswegen gerne in der Herstellung von fetten Cremes und Lippenstiften eingesetzt.
Doch das Drüsensekret vom Schaf ist nicht für jeden Hauttyp geeignet. Vor allem bei zu Unreinheiten neigender, aber auch gesunder Haut legt sich das Wollwachs wie ein Film über diese und wirkt komedogen. Das heisst, dass die Hautporen verstopfen und die Bildung von Mitessern und Pickeln angeregt wird. (1)
Sicher nicht regional
Immer wieder begegnet mir die Behauptung, dass es sich bei Wollwachs um einen regionalen Rohstoff handelt. Zwar gibt es in der Schweiz und in Europa Schafhaltung und zum Teil grössere Schafherden. Doch die Mengen an Schafwolle, die in Europa hergestellt und verarbeitet werden, fallen sehr gering aus. Daher wird in der Regel Lanolin verwendet, das in Ostasien hergestellt wird.
In Singapur, Japan und zunehmend China wird der Grossteil der weltweiten Wollproduktion gewaschen und veredelt. Europäische Verarbeiter waren auf diesem Markt nicht mehr konkurrenzfähig und so ging die Gewinnung von Wollwachs in Europa immer mehr zurück. (2)
Ein Grossteil des Wollwachses, das man heute auf dem europäischen Markt findet, kommt also aus Übersee. Hauptexporteure sind China und Singapur, während der Ausgangstoff Rohwolle meist aus Australien, Neuseeland oder Chile importiert wird. Lanolin gehört zu den am weitesten gereisten Kosmetikrohstoffen und hat somit eine sehr schlechte CO2 Bilanz, die im folgenden Herstellungsprozess nicht besser wird.
Teils ranzig und kontaminiert
In manchen Texten zu Kosmetika mit Wollwachs entsteht das Bild eines unbehandelten und naturbelassen Rohstoffs. Doch das Fett kann nicht einfach aus dem Waschwasser der Schafwolle abgeschöpft werden, sondern wird in einem chemischen Prozess grossindustriell gewonnen. Das liegt an folgenden Gründen:
Das in der Wolle der Schafe enthaltene Fett ist wie die Schafe auch dem Einfluss von Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt. Das führt dazu, dass das Wollfett oxidiert und sich aufspaltet. Kurz gesagt, ein Teil des Wollfetts in der Schafwolle ist bei der Schur ranzig und käme als Rohstoff für Kosmetik nicht mehr in Frage. (3)
Es gibt aber noch ein anderes Problem. Wollschafe wurden über die Jahre ausschliesslich auf mehr Woll-Ertrag gezüchtet. Dabei entstanden Merinoschafe, die bis zu 20 % mehr Hautoberfläche haben, die sich wie bei einem Mops in Falten legt.
In diesen angezüchteten Hautfalten sammeln sich Schweiss, Eiweisse und Fette. Das ist ein idealer Brutort für Fliegen, die ihre Eier in diese geschützten Räume ablegen. Die geschlüpften Maden können tödlich für die Schafe sein, da sie giftige Stoffwechselprodukte abgeben und zu tiefreichenden Hautverletzungen führen.
Um die Tiere vor Fliegenmaden oder anderen Parasiten zu schützen, werden sie mit starken Pestiziden geduscht, deren Rückstände in der Rohwolle zu finden sind. Da man diese Pestizide möglichst nicht in seiner täglichen Pflegekosmetik haben will, muss die Wollwachs-Industrie diese aufwändig entfernen.
Gewinnen von Wollfett
Wollwachs oder Lanolin
Industrielle Raffination von Wollwachs
Um Wollfett überhaupt als kosmetischen Rohstoff einsetzen zu können, bedarf es also eines komplizierten Verfahrens: Das Waschwasser der Wolle wird mit Phosphorsäure “angesäuert” und dann zentrifugiert. Das so gewonnene Roh-Wollwachs wird mit Salz- oder Phosphorsäure gekocht, um die Fettsäuren aufzuspalten und Verunreinigungen zu entfernen.
Die gewonnenen freien Fettsäuren werden nun mit einer starken Lauge neutralisiert, wobei Seife entsteht. Zum Herauslösen des Wollfettes aus der Natriumseife wird entweder 2-Propanol oder Alkohol verwendet. Dazu wird die Mischung zum Sieden gebracht und das oben absetzende Wollwachs abgeschöpft. Dieses wird nun mit heissem Wasser oder verdünntem Alkohol gewaschen, zum Teil mit Wassserstoffperoxid gebleicht und getrocknet.
Um die Pestizidrückstände, Waschmittelreste, Detergenzien und eventuelle Verunreinigungen mit Wasserstoffperoxid aus den Raffinationsprozessen zu entfernen, erfolgt eine Destillation im Hochvakuum. In manchen Fällen wird dem fertigen Wollwachs das umstrittene, kanzerogene BHT (Butylhydroxyltoluol) als Anitoxidans beigegeben. (3), (4)
Die aufwändige chemische Gewinnung dieses “Naturproduktes” verlangt die Verarbeitung von grossen Mengen und erklärt die zunehmende Verlagerung der Wollwachsraffination nach China.
Das Leiden der Schafe
Die billige Produktion von Schafwolle in Australien, Neuseeland und Chile ist nur unter Massentierhaltung und Ausbeutung von Tier und Mensch möglich. Bei meinem Studium der ökologischen Landwirtschaft konnte ich von zwei Mitstudenten erfahren, wie sie die Arbeit auf einer “normalen” neuseeländischen Schaf-Farm erlebt hatten. Sogar meine Kommilitonen, die beide auf dem Bauernhof aufgewachsen sind, waren wegen der Grausamkeit und Brutalität der Tierhaltung auf der neuseeländischen Schaf-Farm schockiert.
Die Menge der Schafe war so gross, dass ein Überblick der Verantwortlichen über die gesamte Herde unmöglich war. Verletzte Tiere verendeten qualvoll ohne bemerkt zu werden und wurden kurzerhand in Felsspalten und der Steilküste entsorgt. Bei den wichtigen Pflegearbeiten an den Tieren herrschte ein solcher Zeitdruck und herzloser Umgang mit den Tieren, dass es meine Mitstudenten kaum ertrugen. Das Ganze gipfelte darin, dass der Farmbesitzer aussortierte, geschwächte Schafe mittels einer Motorsäge ohne Betäubung zu Hundefutter verarbeitete.
Das ist sicher nur die Erfahrung zweier Studenten auf einer Schaffarm. Es könnte sich um das sprichwörtliche “Schwarze Schaf” unter den neuseeländischen Schafhaltern gehandelt haben. Immer mehr Aufnahmen und Hinweise zeigen aber, dass die Schafe in der Massentierhaltung leiden und von den Menschen zum Teil “wie Dreck” behandelt werden. Im Folgenden wollen wir einige traurige Praktiken in der Schafhaltung ansprechen:
Schwanzkupieren
Eine dieser unmenschlichen Praktiken ist das Schwanzkupieren. Dabei wird den Lämmern mit einem Skalpell ohne Betäubung der Schwanz gekürzt. Eine andere Methode ist die Anbringung eines starken Gummiringes, der zum Absterben und Abfallen des “überflüssigen” Lammschwänzchens führt. Die Einkürzung des Schwanzes soll Verunreinigungen mit Kot und somit Krankheiten verhindern. Beide Methoden des Schwanzkupierens sind jedoch äusserst schmerzhaft und können mit Komplikationen einhergehen.
Mehr Infos unter: http://www.tierschutz.com/publikationen/nutztiere/infothek/pflege/mb_pflege_h.pdf
Mulesing
Die meiste Schafwolle stammt weltweit von Merinoschafen. Diesen wurden, wie oben schon erwähnt, zusätzliche Hautfalten angezüchtet, damit pro Schaf auf der dadurch grösseren Hautoberfläche mehr Wolle wächst. Zwischen den Hautfalten, die am Gesäss besonders ausgebildet sind, kann sich jedoch Feuchtigkeit bilden und dies wiederum Fliegen anziehen, welche dort ihre Eier legen. Die Maden dieser Fliegen fressen sich in das Fleisch und verursachen Entzündungen, welche schlimmstenfalls zum Tod des Tieres führen. Um die Einnistung dieser Parasiten zu unterbinden, werden den Schafen die Hautfalten am Hinterteil meist ohne Betäubung weggeschnitten.
Mehr Infos unter: https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/schafwolle
Merinoschafe mit der typischen übermässigen Wollproduktion
Akkordscheren
Da ein Schaf etwa 2 kg Wolle hat und pro Kilogramm Wolle 50 Rappen bezahlt werden, das Schären hingegen ca. Fr. 4.50 kostet, kommt die Wolle vermehrt aus Ländern, die über grosse Herden verfügen, wie etwa Australien, Chile oder Neuseeland. (5)
In Australien betragen die Herdengrössen durchschnittlich etwa 2800 Schafe. Bei dieser Anzahl Schafe pro Herde und Besitzer wird beim Schären vor allem auf Effizienz geachtet und weniger auf das Tierwohl. Die Schafschärer werden nicht nach Stunden, sondern nach Wollmenge bezahlt. Videos von PETA deckten einen brutalen Umgang mit den Schafen auf. Sie wurden bei der Schur getreten, geschlagen und mit dem Schergerät zum Teil schwer verletzt. Dabei entstehende Wunden werden ohne Betäubung genäht.
Mehr Infos unter: https://www.youtube.com/watch?v=DMqNpDHsynO
Beim Akkordscheren ist Effizienz oft wichtiger als Tierwohl
Grausame Fahrt in den Tod
Wenn die Schafe in Australien weniger Wolle produzieren und nicht mehr rentabel sind, werden sie häufig in arabische Länder verfrachtet, in denen mehr Schaffleisch gegessen wird. Dabei werden jährlich 1.2 Millionen Tiere lebendig auf überfüllten Frachtschiffen transportiert. Dabei sterben viele Schafe schon auf der Überfahrt, da sie auf den vollgepferchten Decks nicht an Nahrungs- und Wasserspender gelangen, in Panik von anderen Tieren niedergetrampelt werden oder schlicht in der Hitze krepieren.
Die Überlebenden werden in den Ankunftsländern geschächtet. Sie werden also ohne Betäubung ausgeblutet, um dem Standard von Halal-Fleisch zu entsprechen.
Mehr Infos unter: https://www.peta.de/lebendexport
Schaf-Transporte
Auswirkungen auf die Natur
Schafe vermitteln mit ihrem kuscheligen Aussehen zusammen mit süssen Lämmern ein schönes Bild von heiler Land-Idylle. In anderen Ländern sind sie immer noch ein wichtiger Teil der Ernährung und Landnutzung. Doch Schafhaltung führt immer mehr auch zu negativen Effekten auf die Natur.
Überweidung mit Ziegen und Schafen hat weltweit stark zur Wüstenbildung beigetragen. Ob in Chile, Australien, der Sahelzone oder im Libanon, überall hat die zu starke Übernutzung von Weideflächen zu einer Abnahme der Pflanzendecke und -Vielfalt geführt und den Kräften von Winderosion und der Wüstenbildung die Tore geöffnet. (6)
Das hat je nach Region unterschiedliche Gründe. In der Sahelzone wurden nomadisierende Stämme zur Sesshaftigkeit gezwungen. Anstatt weiter Tiere nur wenige Wochen auf riesigen Flächen weiden zu lassen und dann weiterzuziehen, bleiben die Tiere über Monate auf einem Fleck, zerstören die Vegetation und erodieren die feine Schicht fruchtbarer Erde.
Schafe befördern die Wüstenbildung
Auch in Marokko ist Wüstenbildung durch Überweidung ein Problem.
Verwüstung und Überweidung in Australien
In Australien brachten die vor allem britischen und irischen Einwanderer ihre Lebensweise aus ihren Heimatländern in ein völlig anderes Ökosystem. Mit katastrophalen Folgen. Die Beweidung des australischen Innenlandes mit Schafen war von Anfang an ein Fiasko und ist immer noch eine der grössten Ursachen der Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen auf der Insel.
Die Böden in Australien sind sehr nährstoffarm und das Klima sehr trocken. Es wächst also nicht viel Futter auf den Flächen heran. Schnell kann es dazu kommen, dass die Schafe die Vegetation schneller abfressen, als sie nachwachsen kann. Im Destrikt Murchinson führte die katastrophale Überweidung zu einer dauerhaften Verwüstung der Weideflächen. Ausserdem beschädigen Schafe mit ihren Hufen die dünnen Böden Australiens. Kängurus dagegen haben weiche Pfoten und hinterlassen kaum Spuren.
Die australische Regierung sieht immer mehr ein, dass Schafe nicht an das australische Ökosystem angepasst sind und wertvolle Natur und Weideflächen zerstören. Der wichtigste Faktor für die Regierung ist aber, dass immer mehr Studien zeigen, dass sich die beträchtlichen staatlichen Subventionen für die Schafhaltung nicht mehr lohnen.
Warum sollte man den gesamten Sektor der Landwirtschaft so sehr bezuschussen, der 60 % der Landflächen verbraucht und 80 % der Wasserressourcen, aber nur 3 % zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Dabei stammen 80 % der landwirtschaftlichen Gewinne aus 0,8 % der Nutzflächen. Zudem bedrohen die Investitionen in die Landwirtschaft auch noch Zweige der Wirtschaft, die deutlich mehr Arbeitsplätze und Einnahmen bringen wie zum Beispiel den Tourismus.
Die Besucher von Down Under wollen unberührte Natur erleben und keine apokalyptische Agrarwüste. Zudem bedroht eingespülte Erde in den Flüssen, die aus Erosion in der Landwirtschaft stammt, das Great Barrier Reef, einen der grössten Besuchermagneten des Landes. (7)
Auswirkungen in der Schweiz
Aber auch hier in der Schweiz kann eine Beweidung mit Schafen zu einem Schwund von Artenvielfalt führen. Schafe ziehen auf einer Weide bestimmte Pflanzen zum Fressen vor. Fehlt ein Hirte oder eine Einzäunung, führt das dazu, dass nur bestimmte Pflanzen in einer Weide abgefressen werden und andere sich weiter ausbreiten.
Eine zu intensive Beweidung mit Schafen oder eine ewige Standweide führen umgekehrt dazu, dass ein artenarmer Golfrasen übrigbleibt. Beide Formen der Beweidung haben zum Ergebnis, dass die Wiese über die Jahre ihren natürlichen Reichtum an Pflanzen verliert.
Das mag verglichen mit dem Verlust des gesamten fruchtbaren Bodens wie in Australien harmlos klingen. Doch Ökosysteme sind immer nur so stabil wie sie Vielfalt aufweisen. Verlieren wir hier in unseren Breiten die Vielfalt an verschiedenen Pflanzen und Tieren, werden wir natürliche Systeme haben, die anfälliger für Zusammenbrüche und weniger produktiv sind.
Fazit
Schon die Wahl von Wollwachs oder kein Wollwachs kann grosse Auswirkungen haben. Etwas, das uns vertraut und sicher vorkommt wie die Haltung von Schafen, kann zu Tierleid und der Zerstörung von Ökosystemen beitragen.
Wir stehen deshalb zu unserem Schritt, keine tierischen Rohstoffe in unserer Naturkosmetik einzusetzen. Das ist für uns keine Frage des “Lifestyles” oder des “Trends”. Wir wünschen uns einen Planeten, in dem die Menschen zu harmonischeren Wegen finden auf dieser Erde zu leben.
Quellen
- https://www.codecheck.info/news/Dieser-Inhaltsstoff-Deiner-Creme-wird-aus-Schafssekret-gewonnen-270230, 2020
- http://www.lanolin.de/neu/deutsch/monography.php#P3, 2020
- Naturkosmetische Rohstoffe, Heike Käser, 2019
- Wollwachsmonographie, Mathias Parmentier, 2020
- Mündliche Auskunft von Alpur, 2020
- Desertification and Coping Strategies, Dr. Arnold Groh, 2007
- Kollaps, Jared Diamond, 2005